Auftakt 2021 mit Ausblickversuch


Lieber Leser, liebe Leserin,

unser Leben zum Jahresauftakt 21 ging scheinbar so weiter, wie es sich Sylvester verabschiedete - mit Corona-Lockdown-Maßnahmen. Auch die Streitthemen im Vorstand der WPK begleiteten uns nach 2021. Dazu später mehr. 

 

Corona-Pandemie legt die Schwächen staatlichen Handels offen

 

Dass die Staatswirtschaft nicht effizient arbeitet, diese Erkenntnis ist ja nicht neu. Wenn sich Politiker als Macher inszenieren, ist Vorsicht angeraten. Vielfach steckt nur ein Riesen Beraterschwarm hinter diesen Aktionismus. Denn der Staat delegiert seit einigen Jahren die Lösungssuche auf Berater. Gut konnte man dies auch zum Auftakt der Corona-Pandemie beobachten.

Schon im ersten Akt der Corona-Pandemie haben viele handelnden Politiker viel Reputation eingebüßt. Zu Beginn der ersten Welle der Corona-Pandemie behauptete das RKI und das Gesundheitsministerium, dass die Masken nichts nützen, ja sogar schädlich wären. Der wirkliche Grund soll gewesen sein: Es gab keine Gesichtsmasken.

Zu Beginn der zweiten Welle der Pandemie wurden die professionelle FFP2-Masken zum Pflichtkleidungsstück fürs Gesicht ausgerufen und das Nichtragen unter Strafe gestellt. Für die erste FFPS-Maske zahlte ich Ende März 20 in der Apotheke noch 13,95 EUR, heute erhalten die Rentnerinnen und Rentner bis zum 15.04.2021 2-mal sechs FFP2-Schutzmasken gegen eine Eigenbeteiligung von jeweils 2 EUR.

Auch bei der Durch-Impfung werden immer mehr ungeheure organisatorische Defizite bekannt. Dass nun der von Deutschland im hohen dreistelligen Millionen Bereich vorfinanzierte Impfstoff bei den Bürgern in Deutschland nur schleppend ankommt, braucht einen auch nicht mehr verwundern. Sogar das vom Ex-US-Präsident der USA gebeutelte Land, kommt auf einen 3-fach höheren Impfungsanteil pro 1000 Einwohner als Deutschland (Stand nach ZDF 30.01.21). Spitzenreiter ist Israel mit rund 550 Impfungen pro 1000 Einwohner.

"Dauerbaustelle Big4-Abschlussprüfung" braucht zur Reform neue Herangehensweisen

 

Die vom „obersten Wirtschaftsprüfer Deutschlands" empfohlenen Rezepte nach dem EY-Wirecard-Prüfungsdesaster für eine bessere Wirtschaftsprüfung sind für uns nur alter Wein in neuen Schläuchen. Im alten Jahr wurde von einem Theoretiker der Wirtschaftsprüfung sogar der Advocatus diaboli ins Gespräch gebracht (BB 2020, S. 2284ff).

Die Fragen, warum die EU-Reform 2014 und die deutschen Folge-Reformen 2015/2016 in Deutschland gescheitert sind, stellt sich das IDW anscheinend nicht. Man könnte zum Ergebnis kommen, dass wegen des massiven Lobbyisteneinflusses damals nur Murks vorgeschlagen und umgesetzt wurde. Dass zum Jahresauftakt Herr Bose endgültig aus der APAS ausscheidet, passt hier gut ins späte deutsche WP-Reformbild 2016.

Eine neue Herangehensweise zur Verbesserung der Abschlussprüfung hat Dr. Richard Wittsiepe im Januarheft der WP-Praxis 2021 ausfindig gemacht (Wirecard und die Frage einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung, für die Mitglieder von wp.net kostenlos nach der Registrierung bei NWB). Dr. Wittsiepe sieht u.a. in der Anwendung veralteter ISAs und überholten IDW PS einen starken Grund für ein erhöhtes Prüfungsrisiko und einen Reputationsverlust der deutschen Abschlussprüfung.

Positiv: Der Dauerdruck auf das IDW scheint Früchte zu tragen. Der ISA-Übersetzungsmonopolist IDW will bis Ende März/Anfang April 2021 die ISA 700er Reihe, aber auch den ISA 315rev2019 als deutsche Übersetzung bereitstellen. Dies versprach Präsident Ziegler in der Januar-Vorstandssitzung.

Die ISA-Prüfung wird deswegen ganz vorne auf unserer Fortbildungsagenda 2021 stehen. Wir sind gespannt, ob das IDW die Übersetzungszusagen bis Ende März 2021 einhalten wird.

Reformen bei den deutschen Professional Service Firms (PSF)

 

Wir sind der Auffassung, dass der Gesetzgeber zur Verbesserung der Prüfungsqualität in erster Linie die Professional Service Firms stärker regulieren muss, damit der freie Beruf Wirtschaftsprüfer die Abschlussprüfung wieder als Amt ausführen kann. Gemäß der Forderung von Art. 26 EU-VO sollten die PIE-Sonderuntersuchungen bei den Abschlussprüfern durchgeführt werden, d.h. die Risikomandate sind in die Untersuchung einzubeziehen. Die Rechtsaufsicht BMWi über die APAS und die APAS selbst kennen anscheinend den Art. 26 EU-VO nicht. Die APAS erklärte gegenüber dem PUA, erstmals Anfang 2019 auf die Negativpresse aufmerksam geworden zu sein. Bislang galt der Grundsatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Im Untersuchungsausschuss sagten die APAS-Vertreter weiter, dass nicht der Risikoaspekt für die Mandatsüberprüfung im Vordergrund stand, sondern der Vollständigkeitsgrundsatz. Man wollte in drei Jahren alle PIE-Prüfer geprüft wissen.

Die Rechtsaufsicht soll zum Weglassen des Wirecard-Mandats den Abgeordneten gesagt haben, die APAS habe erstmals 2019 in der FT von der negativen Berichterstattung über Wirecard gehört. Noch eine Ausrede fiel: Die Risikoauswahl beziehe sich in erster Linie auf die Auswahl der Gesellschaft, nicht aber auf die Auswahl einzelner Mandate der WPG. Was soll man bei solchen Aussagen noch sagen? Die Aufsicht kennt anscheinend keinen Zusammenhang zwischen Risikomandant und Prüferrisiko? Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Ich empfehle der Rechtsaufsicht den Art. 26 EU-VO solange zu lesen, bis er verstanden wurde.

Unabhängige wissenschaftliche Arbeit über die Big4-PSF gibt es auch in Deutschland. Wir vermuten, dass die Arbeitsergebnisse dieser Wissenschaftler im Netzwerk der Big4 & Friends keine Anhänger findet. Der Bestätigungsvermerk (BV) hat massiven Reputationsverlust durch die Wirecard-Testate erlitten. Wir sollten uns für 2021 überlegen, wie der BV wieder zum Gütesiegel für die Rechnungslegung werden könnte und nicht als Exkulpationsformel missbraucht wird.

Deswegen widersprechen ausdrücklich der Aussage im PUA von Dr. Christian Orth, dem Chef der internen Qualitätssicherung bei EY. Mit anderen Worten: In der Bilanz ausgewiesenes Bankguthaben muss auch ein Bankguthaben sein und keine Forderung an Treuhänder. Wie Treuhandkonten zu prüfen sind, hat Mark Schüttler im DB 2020 Nr. 36 S. 1862f. verständlich dargestellt. Seine Ausführungen werden auf der Website von BC von Dr. Hans-Jürgen Hilmer zitiert. Herr Hilmer setzt sich auch mit den Reformvorstellungen der WPK kritisch auseinander.

wp.net-Fortbildung 2021

 

Eine weitere große wp.net-Aufgabe 2021 wird die Fortbildung mit unseren Spezialseminaren sein. Das nächste zweistündige Online-Seminar von Herrn WP StB Achim Dörner am 18.03. schärft Ihren Blick auf unsere Aufstellungs- und Haftungsrisiken. Zur Aktualität dieses Themas haben wir Herrn Dörner befragt

Ab Mitte Februar gibt es wieder kostenlose Online-Mitgliedertreffen. Wir stellen Handbücher vor, wir schauen in den Mitgliederbereich rein und zeigen Ihnen was es zum Download gibt, usw. Mitglieder stellen Software vor.

Sobald die ISA-Übersetzungen vom IDW zu haben sind, werden wir neue Online-ISA-Seminare abhalten und das ISA-Prüfungshandbuch überarbeiten, falls Ergänzungen oder Anpassungen erforderlich werden. Dies haben wir für die Zeit ab Mitte April geplant.

 

Unter Berücksichtigung dieser ergänzenden freundlichen Big4-&-Friends-Interpretation durch einen WP-Mittelstandsvertreter (WP Dörschell) lässt sich folgendes sagen:

 

Es ist klar und deutlich zu erkennen, dass die Nachschau nicht als Kriterium genannt wurde. Anzumerken ist auch, dass hier zur Abgrenzung nicht zwischen Berufsträger und Mandat unterschieden wurde. Diese Ausnahme hätte genauer untersucht werden müssen und ist keine belastbare Grundlage für massive Erleichterungen, die zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für den WP-Mittelstand und Einzelpraxen führen müssen.

 

Ergänzend darf angemerkt werden, dass unseres Erachtens hiermit eine unzulässige Firewall für die Big4 & Friends eingeführt wurde und auch dadurch die Arbeit der Berufsaufsicht behindert wird. Dies führt neben den oben genannten Auswirkungen auch noch zu einer Ungleichheit in der Berufsaufsicht, die unseres Erachtens nicht hingenommen werden kann.

 

Insgesamt darf angemerkt werden, dass es offensichtlich hier ein Versuch war, Erleichterungen für Big4 & Friends zu schaffen.

 

Abschließend darf auch darauf hingewiesen werden, dass Bestandteil des „Deals“ 2016 war, dass zwei von wp.net benannte Vertreter in das Gremium der Qualitätskontrollkommission entsendet werden. Diese Zusage vom heutigen und damaligen Präsidenten wurde damals nicht eingehalten.

 

Berufspolitik 2021

 

Wir fordern weiter Gerechtigkeit bei der Qualitätskontrolle für die kleinen-, mittelgroßen und Einzel-Praxen. Die Qualitätskontrolle mit Augenmaß für den Großteil des noch prüfenden Berufsstands muss kommen.

Wir wollen der Qualitätskontrolle bei den Big4 & Friends mehr auf den Grund gehen. Denn bislang wissen wir erst, dass bei deren verantwortlichen Abschlussprüfern die Qualitätskontrollen größtenteils durch die interne Nachschau ersetzt werden. Bis heute kann oder will uns die KfQK keinen Prozentsatz der Auftragsprüfungen an der Grundgesamtheit der verantwortlichen Wirtschaftsprüfer liefern.

Wir halten die seit Jahren geübte Praxis für eine Zwei-Klassen-Qualitätskontrolle. Mehr dazu in unserem Schreiben vom 1.02.2021 an den Präsidenten.

Die Zusammenführung der beiden Prüferberufe, die durch den IDW-Widerstand, zu Fall gebracht wurde, wird auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben.

2021 werden einige Big4-Gesellschaften mit Cum Ex konfrontiert werden

 

Wenn Sie wissen wollen, wer und wie involviert ist, dann gehen Sie bitte auf die Website des Vereins Finanzwende.  Dr. Schick hat auf der Website die Verwicklungen der Big4 KPMG und EY sowie das IDW thematisiert.

Finanzwende schreibt, dass man die Verantwortung der Wirtschaftsprüfer bei CumEx kaum hoch genug einschätzen kann. Interessant die Fragen, die Finanzwende zur Verwicklung des IDW in den CumEx-Skandal stellt. Sehr lesenswert!

Aus Fehler, besser aus Erfahrung lernen!

 

So würde ich den YouTube-Channel von Prof. Rieck beschreiben. Deswegen zum Schluss des Ausblicks 2021 einen Einblick in den YouTube-Kanal von Prof. Dr. Christian Rieck mit inzwischen über 130.000 Abonnenten. Prof. Rieck beschäftigt sich mit spieltheoretischen Analysen aus dem privaten und beruflichen Leben. Zwei Videos aus seiner YouTube-Bibliothek empfehle ich Ihnen heute:

Einmal das Video „Corona, Lügen, Wirecard (Reputationsabbau und Lügenkaskade)“. Darin wird erklärt, dass der Start mit einer (Not)-Lüge meistens in den Abgrund führt, weil der Lügner nicht mehr so leicht von den Lügen los kommt, also den Ausgang nicht mehr findet. Der scheinbare Vorteil, bei der ersten Lüge nicht ertappt zu werden, führt zur Lügenkaskade. Am Ende steht die Katastrophe. Dann nützt es auch nichts, die Lügen zu alternativen Fakten zu erklären.

Prof. Rieck erklärt an Beispielen, dass die im Reputationsabbau steckende Asymmetrie den Reputationsabbau sehr teuer macht (1 negativer Fall benötigt 100 Fälle zur Korrektur der Reputation).

Kennen Sie Reputationsabbau im Berufsstand? Teilen Sie uns diese mit. Wirecard, CumEx?

Für uns hat die Kommission für Qualitätskontrolle mit ihrem letzten Hinweis zur Durchführung und Dokumentation bei dem kleinen, mittleren und Einzelpraxen einen gewaltigen Reputationsabbau erlitten. Statt die im Gesetz verankerte Verhältnismäßigkeit endlich einzuführen, wurden Verschärfungen eingeführt. Den großen Gesellschaften billigt man Erleichterungen in Form der Nachschau zu, die kleinen werden mit dem Stabilitätstest bestraft.

In Riecks´s Youtube-Bibliothek gibt es viele „Audio-Goldstücke“. Gut gefallen hat mir auch die Analyse zu „Falsche Theorien und Denkfehler „Mehr des Gleichen“ - Warum wir unsinnige Entscheidungen treffen und es nicht merken?“

Prof. Rieck erläutert darin die Risiken, die aus der Anwendung falscher theoretischer Zusammenhänge entstehen.  Am Beispiel der früher vorherrschenden Lehre vom Aderlaß in der Medizin, als Heilungsmethode.

Grund für die falschen Theorien sind falsche theoretische Zusammenhänge. Schauen Sie sich bitte dieses Video an und teilen uns mit, ob Sie in der Abschlussprüfung auch falsche Lehren gefunden haben, die das Gegenteil bewirken, was die Berufspflichten verlangen. Zum Beispiel: Die Beratung wirkt erst negativ auf die Unabhängigkeit, wenn sie in einer bestimmten Größenordnung/Dosierung eingesetzt wird.

 

 

Damit möchte ich Sie noch auf unsere neue Fortbildungsliste verweisen und wünsche Ihnen einen guten Start eine erfolgreiche Woche. Denken Sie positiv und bleiben Sie negativ!

Ihr Michael Gschrei
Geschäftsführender Vorstand wp.net e.V.