Überarbeitung der wp.net-Reform-Vorschläge zum Wirecard-Skandal
Lieber Leser, liebe Leserin,
wegen neuer Hinweise zum Wirecard-Skandal und der Big4 - Wirtschaftsprüfung vertiefen wir unsere Analyse und unsere Reformvorschläge vom 18.08.2020.
Insbesondere berücksichtigen wir den Aufsatz „Die schleichende Erosion“ von Dr. Georg Loscher in der FAZ vom 24.08.2020 (paywall). Dieser Aufsatz führte uns zu seiner Dissertation aus 2015 „Die Steuerung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zwischen managementorientierter und berufsständischer Logik“. Diese Arbeit deckt den Bruch der bisherigen Wirtschaftsprüfungskultur als Amt mit der Big4-Managementorientierten Kultur, der sog. Big4-Full-Service-Professional-Firm, auf. Die Wirtschaftsprüfung dient nur noch als Folklore und als Reputationsvehikel. Ein Kennzeichen der neuen WP-Kultur sind neue Inhalte für alte Begriffe.
Es drängt sich die Frage auf, ob das Geschäftsmodell der Big4 noch mit der WPO konform geht.
Die Studie aus 2017 von Prof. Murphy und Frau Stausholm „The Big Four – A study of Opacity“ vermittelte uns neue Erkenntnisse zum weltweiten Netzwerk der Big4.
Auch Erkenntnisse von Peemöller/Krehl/Hofmann aus deren Buch „Bilanzskandale“, 2. Auflage 2017, sind mit eingeflossen. Wir blicken hierbei auf Gegenmaßnahmen zur zielführenden Bekämpfung von Bilanzdelikten.
Die Dissertation von Dr. Dirk Oetterich aus 2014 über die „Phasen der Bilanzfälschung“ bestätigte auch unsere Handlungsempfehlungen für eine wirksame und nachhaltige Wirtschaftsprüfung.
Wir wünschen den Lesern interessante und neue Erkenntnisse zur erfolgreichen Wirtschaftsprüfung de lege ferenda. Wir verbinden damit die Bitte, das Amt des Wirtschaftsprüfers noch nicht abzuschreiben. Es gibt noch die mittelständische Wirtschaftsprüfung.
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Die Ergebnisse der organisationstheoretischen Forschungsarbeiten von Dr. Loscher belegen, dass durch zu viel Marktwirtschaft in den letzten 20 Jahren in der Big4-Wirtschaftsprüfung die Balance zwischen dem Markt und dem Amt des Wirtschaftsprüfers verloren gegangen ist. Die Wirtschaftsprü-fungsgesellschaften haben sich in eine „Full Professional Service Firm“ transformiert. Die Big4 bieten eine umfassende internationale Unternehmens-, Rechts- und IT-Beratung; sie treten als Berater von Staaten und Organisationen auf. Die Umsatzverschiebung zu Lasten der Prüfung bestätigt die Neuausrichtung des Geschäftsmodells: Die Verabschiedung weg von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Allround-Dienstleister. Von einmal bis zu 70 % Prüfungsquote steuert das Big4-Business weltweit auf 20% zu.
Was muss geschehen, damit sich die Big4 dem Wirtschaftsprüferamt im Sinne von Schmalenbach wieder zuwenden. Wollen die Big4 überhaupt die Wirtschaftsprüfung als Amt? Werden die Big4 freiwillig – z.B. durch Selbstbeschränkung ihres Dienstleistungsprogrammes – in Vorleistung gehen.
Das Versprechen von PWC-Chairman Bob Moritz in der FT vom 25.08., die Relevanz des Berufsstandes wieder gewährleisten zu wollen, hat viele Haken und Ösen. Zuerst müsste nämlich geklärt werden, welchen WP-Berufsstand Bob Moritz meint und ob sein Verständnis von Wirtschaftsprüfung auch das von Schmalenbach ist. Und was versteht Herr Moritz unter Relevanz?
Die von Dr. Loscher identifizierten vier Bedrohungslagen für das gesetzliche Prüfer-Amt sollten durch folgende Gegenmaßnahmen entschärft werden. Wir ergänzen den Maßnahmenkatalog um zwei weitere Vorschläge. Dies betrifft die externe Prüferaufsicht APAS und den Big4-Lobbyismus.
(1) Aus Großbritannien meldet die FT am 8.9.20, dass die dortige Deloitte anscheinend bereit ist, ihre Restrukturierungsabteilung zum Verkauf zu stellen. Dies wäre wirklich ein neuer Weg, mit Interessenskonflikten umzugehen. Über die Größe dieser Abteilung sagte der Bericht nichts.
Das massive Größen- und (Leistungs-)Angebotswachstum der letzten Jahre könnte durch das Aufbrechen des Oligopols über Joint-Auditprüfungen gebremst werden. Oder man kopiert das englische Modell, dass die Big4-Prüfungseinheit von der Resteinheit unten dem gleichen Dach vollständig eigenständig wird - quersubventionierte Aufträge also wegfallen. Über kurz oder lang sollten beiden Einheiten nach Murphy ganz getrennt werden.
Der Wirtschaftsprüfermarkt der Großen Gesellschaften braucht mehr Transparenz, damit die Nachfrager und Aufsichten erkennen, ob ihre Regulierungsinstrumente angemessen und ausreichend sind.
Die kleineren Gesellschaften müssten IT-Potentiale einsetzen, um größere gemeinsame Prüfungen von mehreren Gesellschaften durchzuführen.
Die Trennung von Beratung und Prüfung im (PIE-)Segment stärkt die Unabhängigkeit der Prüfer und damit die Prüfungsfunktion und wird von vielen Professoren und Autoren gefordert. Die organisationstheoretische Forschung zeigt, dass sich die Kultur der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu Lasten des Amtes und zu Gunsten des Beratungsgeschäfts verschoben hat[2]. Damit drängt sich auch die Frage auf, ob die Big4 mit den WPO-Regelungen auch hinsichtlich der Berufspflichten noch im Einklang stehen.
Eine Rotation der PIE-Prüfer, die auch den Namen verdient, damit aus dem Prüfungsauftrag nicht ein Generationenvertrag von 20 Jahren wird, stärkt ebenfalls die Unabhängigkeit.
Für alle Vorbehaltsaufgaben muss es eine Honorarordnung geben. Damit geht eine Stärkung der Wahrnehmung der Abschlussprüfung als eine hoheitliche Aufgabe einher (Abschlussprüfung ist keinegewöhnliche Ware/commodity). Für Prof. Peemöller ist auch die wirtschaftliche Abhängigkeit und der Zeitdruck bei der Prüfung entscheidend; dies ist auch eine Folge des Honorardrucks durch die zu prüfenden Unternehmen[3]. Deswegen muss eine Honorarordnung eingeführt werden. Die Prüfungshonorare liegen in den USA im Russel 3000 Index bei dem 4,3 fachen auf Umsatzbasis[4] über Deutschland´s Prüfungshonorare.
[2] So bereits Prof. Baetge im BB 2002, Nr. 26. Nach Dr. Loscher (Die schleichende Erosion, FAZ 23.08.2020), ändert sich durch den extremen Ausbau des Beratungsgeschäfts die Kultur der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Big4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wurden in eine „Full Service Professional Service Firm“ mit Unternehmens-, Rechts- und IT-Beratung transformiert.
[3] Vgl. Peemöller/Krehl/Hofmann, Bilanzskandale 2017, 2. Auflage, S. 268.
[4] FT berichtet am 3.7.20 (After Wirecard: is it time to audit the auditors?): „Die Prüfungshonorare in Europa liegen weit unter denen in den USA. Die Prüfung von Unternehmen des Russell 3000 Index in den USA kostet durchschnittlich 0,39 Prozent des Unternehmensumsatzes. Diejenigen in Europa liegen im Durchschnitt bei nur 0,13 Prozent, während sie für deutsche Unternehmen bei schwachen 0,09 Prozent liegen.“ Ein KMU mit 15 Mio. Umsatz zahlt in den USA knapp 58,5 TEUR und in Deutschland 13,5 TEUR.
Aufgrund der Größe, Komplexität und transnationalen Tätigkeit entziehen sich die Big4 zunehmend lokaler Regulierung und prägen die internationalen Gremien für die Setzung von Standards im Rechnungswesen und in der Prüfung stark, so Dr. Loscher.
Nach der Studie von Prof. Murphy steht die Struktur jeder Big4 auf zwei Pfeilern. Der eine Pfeiler suggeriert die Existenz einer vertraglich „global integrierten Firma und der andere Pfeiler gibt vor, tatsächlich jedoch aus zahlreichen getrennten juristischen Einheiten zu bestehen. Murphy vermutet dahinter folgende Vorteile:
- Die regulatorischen Kosten und Risiken werden reduziert.
- Das rechtliche Risiko wird eindämmt.
- Die Big4-Kunden werden vor behördlichen Untersuchungen geschützt
- Die dadurch geschaffene Undurchsichtigkeit verschleiert den tatsächlichen Umfang ihrer Operationen und Einnahmenzuflüsse.
Für Murphy folgt weiter daraus, dass die Einbettung in transnationale Netzwerke auch aufsichtsrechtlich unter eine europaweite Kontrolle gestellt werden. Zusätzlich sollte die Trennung in Prüfung und Beratung zu gegebener Zeit erfolgen. Jede Big4 sollte einen konsolidierten Weltabschluss mit länderweise Berichterstattung veröffentlichen müssen, um Transparenz über ihre Macht zu schaffen.
Wo früher zum Beispiel ein bis zur Pensionierung unkündbarer Partnerschaftsvertrag und ein stark egalitäres Vergütungsmodell verbreitet war, findet man nur noch leistungsorientierte Vergütungssysteme und kündbare Partnerschaftsverträge vor, so Dr. Loscher. Karriereentscheidungen ab einer bestimmten Hierarchiestufe werden nicht mehr vorzugsweise nur an berufsständischen Kriterien wie Qualität und fachlicher Reputation festgemacht werden, sondern auch anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen, wie Deckungsbeiträgen und Klienten-Akquisition, getroffen. Ab den mittleren Karrierestufen wird das Selbstverständnis als Manager und nicht das als Berufsträger betont. Das mittlere Management ist dann wiederum für die Ausbildung und Sozialisation von Berufsanfängern verantwortlich und fungiert als Rollenmodell.
Um das Bewusstsein bei den Big4-WPs für Risiken beim Verlassen des korrekten WP-Wegs zu schärfen, muss
• der einzelne Wirtschaftsprüfer stärker in den Berufsstand eingebettet und
• für seine berufsständischen Werte und Verpflichtungen (Berufseid) sensibilisiert werden.
Die innere Unabhängigkeit von Sachzwängen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten muss erhöht und der Wirtschaftsprüfer autonomer von seinem Arbeitgeber werden.
Das könnte durch einen stärkeren Austausch mit anderen WP-Berufsträgern außerhalb der eigenen Firma geschehen, zum Beispiel über Fortbildungen, die bei der Wirtschaftsprüferkammer absolviert werden müssen oder über regelmäßige Arbeitsproben zu komplexen Fällen, die mit Wirtschaftsprüfern aus anderen Gesellschaften diskutiert werden.
Verstärkte Fortbildung durch die Wirtschaftsprüferkammer mit Themen zu praktischen Berufsfragen, auch um Fehlermeldungen zu fördern, die wiederum die positive Fehlerkultur unterstützen.
Bei der WP-Ausbildung ist besonderer Wert auf die berufsständischen Werte und Verpflichtungen zu legen. Die Aus- und Fortbildung sollte nicht den Big4 selbst überlassen werden. Die WP-Gütekriterien bei der Urteilsbildung wie eigenverantwortlich, unabhängig, gewissenhaft, unparteiisch und kritische Grundhaltung dürfen bei den Big4-Inhouse-Seminaren nicht anders gelehrt werden, als im Übrigen freiberuflichen WP-Berufsstand.
Hier sehen wir den 2013 vom IDW/Big-4 initiierten § 8a WPO-Studiengang als kontraproduktiv an, der die Risiken des „Missions-Drifts“ drastisch erhöht hat(5).
(5) Vor dem 8a-WP-Studiengang warnten die Hochschulprofessoren Bareis, Rückle und Siegel in der SZ am 28.01.2004 nach dem der 8a WP-Ausbildungsstudiengang geschaffen wurde. Grund der Ablehnung: Der Bewerber muss das Verständnis des Gelernten nicht mehr beweisen. Zusammenfassend: Bisher wurden von den meisten Wirtschaftsprüfer-Kandidaten zwei große Prüfungen in BWL verlangt. Trotz komplexer gewordener Umwelt und erhöhter Anforderungen an das Testat des Wirtschaftsprüfers soll nun ein einziges BWL-Examen, und das auch noch zu früh, ausreichen. Wir warnen davor. Der nächste Bilanzskandal kommt bestimmt. Wie Recht die Professoren behalten haben.
3.1. Situationsbeschreibung
Das Wachstum und die damit einhergehende Arbeitsteilung der Prüfungsdurchführung, durch Mängel hervorgerufene Regulierungen und die Zunahme der Komplexität der Prüfungen und die Technologisierung begünstigte das Big4-Modell, so Loscher in der FAZ.
Im Zuge der Verbreiterung des Dienstleistungsspektrums entstanden die Big4 „Full Service Professional Firms“. Dies führte zum Druck bei ihren WP-Berufsträgern, ähnlich profitabel zu sein wie die Berater-Kollegen. Durch die Eingliederung der Wirtschaftsprüfer in eine große multidisziplinäre und gemanagte „Dienstleistungsfirma“ kommt in der Wirtschaftsprüfung inzwischen auch das übliche Personal- und Karrieremanagement zum Einsatz.
Gleichzeitig wollen die Big4 die Kontrollen über ihre Arbeit geringhalten. Beim Qualitätskontrollverfahren im Non-PIE-Segment schafften es die großen Gesellschaften, sich die Qualitätskontrolle bis auf einige Ausnahmen vom „Leib zu halten“. Bei der PIE-Aufsicht APAS sind ihre ehemaligen Wirtschaftsprüfer als ihre berufsstandsunabhängige Aufsichtsstelle in Diensten. Damit entstehen Kontrolllücken.
Die Beraterkultur hat die Wirtschaftsprüferkultur in der Big4Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vertrieben. Den Schalter von Beratung auf Prüfung und andersrum jeweils umzustellen, ist nicht möglich. Als erstes nimmt die kritische Grundhaltung Schaden, die als Berufspflicht erst 2016 vom Gesetzgeber in die WPO aufgenommen wurde. Ohne kritische Grundhaltung kann man aber kaum das Amt des Wirtschaftsprüfers ausüben. Hier gilt Leffson´s These: Die PIE-Abschlussprüfung basiert auf einem Misstrauensverhältnis und nicht auf einem Vertrauensverhältnis.
Dr. Loscher erkennt bei den Big4-Gesellschaften ein Abkapseln der Wirtschaftsprüfer in den Häusern der Big4 vom Rest des WP-Berufsstands. Dies ist u.a. bedingt durch die unternehmenseigene Ausbildung, die eigenen Interpretationen von Standards in Handbüchern, die eigenen Prüfungsansätze und durch die eigenen Qualitätssicherungshandbücher.
Der Weg zu besseren Renditen und Verdienstmöglichkeiten der Partner bei gleichzeitig sinkenden Honoraren führte zur Standardisierung der Prüfung mittels Checklisten.[6] Diese Checklisten machen wegen des Feature-Positive-Effekts bei der Prüfung jedoch blind[7], ermöglichten es aber, den Partnern großer WP-Gesellschaften, an mehrere Prüfungen gleichzeitig „zu verdienen“. Dank eigener „beruflicher Gesetzgebung“ über ihren Interessenverband IDW schafften es die Big4, statt zwingender Prüfungsnachweise, auch mit einem überzeugenden Prüfungsnachweis sowie mit beschreibender Prüfungsdokumentation uneingeschränkt testieren zu können[8].
3.2. Korrekturen am managementorientierten Steuerungs- und Anreizmodell
Die Big4-Gesellschaften müssen im Fokus einer permanenten eu-weiten Regulierung stehen. Die nationale Aufsicht in der Form APAS ist dazu nicht in der Lage. Sowohl die interne Qualitätskontrolle als auch die externe staatliche Aufsicht muss eine Aufsicht auf Augenhöhe sein. Die Big4 sind weltweit eng vernetzte Dienstleistungskonzerne und müssen als solche auch reguliert und beaufsichtigt werden. Deswegen sind die kleinen nationalen Aufsichten zu Gunsten einer eu-weiten und unabhängigen öffentlichen Aufsicht abzulösen.
Eine externe Governance-Maßnahme zur Verhinderung von Fehlanreizen wäre die Überprüfung der organisationsinternen Personal-, Karriere- und Steuerungssysteme durch externe Aufsichtsstellen. Überhaupt müssten alle Kontrollen durch externe erfolgen.
Dies bedeutet auch, dass wegen der Management-Strukturen der großen Gesellschaften sie auch selbst einer eigenen berufsaufsichtsrechtlichen Haftung unterworfen werden müssen. Die von der EU 2014 angedachte Lösung wurde im APAReG-Gesetzgebungsverfahren 2015/16 durch den massiven Lobbyismus verhindert. Heute sind faktisch nur die kleinen WP-Gesellschaften davon betroffen.
Jeder verantwortliche Wirtschaftsprüfer muss unterstützt werden, um seine innere Unabhängigkeit von Sachzwängen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu erhöhen. Er sollte die Partnerstellung innehaben und mit einem unbefristeten Kündigungsschutz ausgestattet sein.
Eine weitere Governance-Maßnahme wäre die Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers durch einen nicht kündbaren EK-Anteil an seiner Gesellschaft auszustatten. Dies ist das Gegenteil dessen, was der Big4-Verband IDW beim Ministerium unter Hinweis auf die Modernisierung des Berufsrechts anstrebt und bereits Anfang 2020 beantragt hat. Der Big4-Verband möchte die Kapitalbindung bei WP-Gesellschaften aufheben.
Qualitätssichernde Maßnahmen und Qualitätskontroll-Aufgaben sollten bei Big4 nur externe Stellen durchführen dürfen. Dies betrifft sowohl den auftragsbegleitenden Qualitätssicherer, als auch die externe Qualitätskontrolle, die bei den Großen Gesellschaften heute auf die interne Nachschau übertragen werden kann. Prüfungsnachweise müssen zwingend und nicht nur plausibel sein. [9]
Ausführlicher Forderungskatalog zur Sicherstellung des WP-Amtes in der Anlage 3: Wirtschaftsprüfung ist ein Amt und kein gewöhnliches Geschäft!
[6] Mehr darüber zu lesen gibt es in den Kommentaren des Handelsblatts vom 15.09.2020
[7] Vgl. M. Gschrei, Warum Checklisten blind machen, https://www.wp-net.com/Magazin2020/Illusion%20einer%20Abschlusspruefung-final.pdf
[8] Vgl. Anlage 1 zu dieser Zusammenfassung. So gelang es den Big4 - trotz „schlechte“ Testate im Vorfeld der Finanzmarktkrise ab 2007 ohne Sanktionen zu überleben.
[9] Zum aktuellen Qualitätsstandard bei den Big4 verweisen aus Anlage 1 Gewährleistung eines wirksamen Qualitätssicherungssystems auch bei großen Gesellschaften
Obwohl von der WPO nur mit der Systemaufsicht über die Qualitätskontrolle betraut, widmet sich die APAS intensiv der Überwachung der Qualitätskontrolle und Neuausrichtung der Qualitätskontrolle, im Nicht-PIE-Bereich. Unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter dem Gesichtspunkt der Datensparsamkeit ist das Einsichtsrecht gezielt und ergebnisorientiert auszuüben, so § 66a Rn 85 WPO-Komm.
Als Kontrolldesaster erkennen wir, dass sich die sog. berufstandsunabhängige Aufsicht APAS fast ausschließlich aus ehemaligen Big4-Mitarbeitern zusammensetzt. Die fundamentale Voraussetzung, dass die Big4-Alumnis engagiert und ohne Rücksicht auf Namen, Herkunft, Position eine wirksame Kontrolle über ihre früheren Kollegen ausüben können und wollen, halten wir für äußerst naiv. Vor allem dann, wenn auch noch eigene Pensionsansprüche im Raum stehen und gesichert werden wollen.
Wir können auch nicht erkennen, dass die APAS die Vorgabe in Art. 26 der EU-VO, die Auswahl der Stichproben für die anlassunabhängige Inspektion risikoorientiert vorzunehmen, umgesetzt hat. Würden wir falsch liegen, dann hätte bei der jährlichen EY-Inspektion die Wirecard-Prüfung seit 2016 je-des Jahr in der Stichprobe (vor 2016 bei der APAK) enthalten sein müssen. So hat man erfahren, dass erst Wochen nach Bekanntmachung des KPMG-Gutachtens 2020 mit der (anlassabhängigen) Inspektion bei EY begonnen wurde. Hier wäre es auch sehr hilfreich, wenn die Tätigkeit der APAS transparenter geregelt werden würde.
Die Wirtschaftsprüfung muss den Human Factor bei der Prüfungsarbeit berücksichtigen: Wirtschaftsprüfer sind Menschen und alle Menschen machen Fehler, Schweigen über die Fehler führt zu Prüfer-Katastrophen, wie z.B. beim Wirecard-Skandal. Eine positive Fehlerkultur muss Grundlage der Kammerarbeit sein. Da vorrangig die Nichtoffenbarung des Fehlers bestraft wird, wird die Bekanntgabe der Fehler unterstützt, was zur Fehlerminimierung und zur Vermeidung von Folge- und Wiederholungsfehlern führt. Weitere Erläuterungen in der Anlage 4.
Die intensive Mitwirkung des IDW, der Big4-Chefetagen und Ihrer Lobbyisten aus dem Bundestag bei der Schaffung der letzten Prüferaufsichtsregeln 2015/16 und ihrer personellen Zusammensetzung muss zur Sicherstellung hoher Prüfungsqualität beendet und korrigiert werden. Weitere Infos in der Anlage 6.
Unsere Erkenntnis für Reformen lautet schlicht: Zurück zu den Wurzeln. Die Instrumente der markt-wirtschaftlichen und managementorientierten Steuerungs- und Anreizmodelle zerstörten den Marken-kern des öffentlichen Auftrags.
Eugen Schmalenbachs Forderung muss wieder der Maßstab für die Wirtschaftsprüfung werden: „Die Wirtschaftsprüfung darf kein Geschäft sein, sondern muss ein Amt im besten Sinne des Wortes wer-den.“
Die Abschlussprüfung einer Börsen AG basiert auf einem Misstrauensverhältnis und nicht auf einem Vertrauensverhältnis (Leffson). Unser Appell deswegen an den Gesetzgeber lautet: Gebt der Wirtschaftsprüfung das Amt zurück, die Wirtschaftsprüfung ist keine „Full Service Professional Firm“, son-dern eine hoheitliche Aufgabe.
gez. WP/StB Tobias Lahl,
Sprecher Gesamtvorstand
wp.net e.V.
Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung
München, 16.09.2020
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